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Call for Abstracts: Heft 4/2025 „Nischen“
Nischen besitzen etwas Randständiges, ja geradezu Abseitiges. Sei es im Wortsinn als bauliche Vertiefung oder im übertragenen Sinne als gesellschaftlicher Rückzugsort – stets handelt es sich um eine Erweiterung bzw. Aussparung, einen geschützten Ort, an dem sich entfalten kann, was anderswo keinen Platz fände. Schon die Wortherkunft aus dem Lateinischen nidus (Nest) verweist auf Schutz und Geborgenheit, auf eine behütete Sphäre jenseits des öffentlich Zugänglichen. Die Nische existiert also nicht für sich allein, sie ist kein neutraler Ort, sondern lebt vom Kontrast zum Außen. Als Gegenentwurf zum dominanten Raum stellt sie ein Refugium dar, das anders funktioniert, anders denkt, anders tickt.
Das Verhältnis zwischen Außenwelt und Rückzugsort, zwischen Mainstream und Nische bleibt indes ambivalent. Einerseits versuchen sich kulturelle oder soziale Nischen der Vereinnahmung durch den Mainstream zu entziehen – nicht immer mit Erfolg, wie man am Beispiel von (ehemaligen) Subkulturen wie der Hip-Hop-Szene sieht. Andererseits fungieren Nischen auch als Avantgarde, mit dem Anspruch, gesellschaftlichen Wandel mitzugestalten, ja ihn überhaupt erst in Gang zu setzen. Themenbereiche wie Nachhaltigkeit (z. B. solidarische Landwirtschaft) oder alternative Wohnformen (etwa Mehrgenerationenhäuser oder genossenschaftliches Wohnen) zeigen, dass Nischen auch als Laboratorien für Zukunftsmodelle dienen können. Sie versuchen, im Kleinen vorzuleben, was im Großen möglich wäre.
Nischen existieren in den unterschiedlichsten Bereichen. Im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext stehen sie für Singularität und abweichende Lebensentwürfe, die sich in einem geschützten Raum entwickeln können. Gleichzeitig können sich Nischen auch von Schutzzonen in ihr Gegenteil umkehren und im Extremfall als Radikalisierungsorte wirken. In der Wirtschafts- und Konsumwelt ist von Marktnischen die Rede, in der Politik spricht man von Nischenparteien. Auch die Wissenschaft kennt ihre Nischen – beispielsweise in Form von hochspezialisierten Teildisziplinen oder Orchideenfächern wie der Promenadologie. Und natürlich lädt gerade der digitale Raum zur Nischenbildung ein, man denke nur an das schier unbegrenzte Podcast-Universum mit Nischenformaten zu mittelalterlicher Kochkunst oder lateinischer Rhetorik.
Natürlich sind dies allesamt nur Anregungen – wir sind sicher, dass es noch zahlreiche weitere interessante Facetten aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen zum Thema „Nischen“ gibt. Daher freuen wir uns nicht nur über politologische oder historische, sondern auch über gesellschafts- und kulturwissenschaftliche, philosophische oder ideengeschichtliche, auch sprach- oder naturwissenschaftliche Beitragsvorschläge. Außerdem bietet jedes Heft mit den „Perspektiven“ einen „freien Teil“; auch thematisch anders gelagerte Einreichungen sind also stets willkommen.
INDES wird von Prof. Frank Decker an der Universität Bonn herausgegeben. Die interdisziplinär ausgerichtete „Zeitschrift für Politik und Gesellschaft“ möchte Forschungsergebnisse nachvollziehbar und interessant präsentieren sowie politisch-gesellschaftliche Debatten anstoßen und mit originellen Beiträgen bereichern. Idealerweise gehen dabei Inhalt und Form Hand in Hand: Wichtig ist uns der „gute Stil“; die Beiträge sollen möglichst verständlich und anregend formuliert sein, ihre Lektüre sowohl Erkenntnis als auch Freude bereiten. Neben der klassischen Analyse eröffnet INDES auch andere Formate wie Porträts, Inspektionen, Interviews, Kommentare und Kontroversen. Insbesondere für Wissenschaftler:innen in der Qualifikationsphase bietet INDES zudem die neue Rubrik „Abhandlung“ mit einem Double-Blind-Peer-Review-Verfahren an (sowohl für Beiträge zum Schwerpunkt als auch zum „freien Teil“). Alle Beiträge durchlaufen zudem ein doppeltes Redigat durch die INDES-Redaktion.
Beitragsvorschläge (max. 300 Wörter) bitte bis zum 04. August 2025 an: indes@uni-bonn.de. Die Einreichungsfrist der Beiträge (rund 20.000 Zeichen) wäre dann der 06. Oktober. Das Heft soll im 4. Quartal 2025 erscheinen.