Verdacht und Muster Geheimdienstliche Logik und Überwachung im Alltag
Spätestens seit Edward Snowden verschiedene Strategien der Überwachung des amerikanischen Geheimdienstes NSA (National Security Agency) enthüllt hat, haben Geheimdienste auch eine Bedeutung für den Alltag von ganz normalen Menschen bekommen. Die NSA protokolliert so ziemlich alles, was im Internet an Daten verkehrt – manches ein wenig genauer, vieles nur vorsorglich, um es später einmal auswerten zu können. Und da das Internet, speziell das World Wide Web mit seinen zahlreichen Diensten und Angeboten wie Facebook, Netflix, Instagram oder Amazon, Teil des täglichen Lebens im 21. Jahrhundert geworden ist, haben die Enthüllungen von Snowden eben eine solch herausragende Bedeutung.
Anders als man nach diesen Enthüllungen hätte vermuten können, hat sich die Nutzung des Netzes und somit auch die Ausbreitung der Dienste in unserem Alltag seitdem eher erhöht, als dass sie zurückgegangen wäre. Die Theorie des sogenannten Chilling Effect[1] scheint eher eine Hoffnung denn eine Wirklichkeit im Alltag der Menschen bezüglich der Nutzung und des Umganges mit ihren Daten zu sein. Die Ausmaße der von Snowden öffentlich gemachten Überwachungsstrategien waren zu überbordend, als dass sie wirklich zu begreifen waren. Und tatsächlich spielen diese für die meisten Menschen auch überhaupt keine Rolle, da die Auswirkungen nicht spürbar oder in der Tat nicht vorhanden waren und auch weiterhin nicht sind. Außer dem Gefühl, dass dort »jemand« unter Umständen mithört, -liest oder einfach nur Daten speichert, sind Konsequenzen meist nicht zu erkennen. Das mag anders sein, wenn man in China lebt, in der Türkei oder anderen autoritären Regimen, die diese Informationen sehr wohl nutzen, um repressiv gegen die eigenen Bürger tätig zu werden. Oder wenn man in einem Land wie Afghanistan oder dem Irak lebt, in dem die USA einen hässlichen Dronenkrieg[2] führen, in dem Informationen über Personen und ihre Aufenthalte gesammelt werden, um sie aus der Luft zu liquidieren.[...]
Anmerkungen
[1] Jonathan W. Penney, Chilling Effects: Online Surveillance and Wikipedia Use, in: Berkeley Technological Law Journal, Jg. 31 (2016), H. 1, S. 117–182.
[2] Vgl. u. a. Lisa Parks u. Caren Kaplan (Hg.), Life in the Age of Drone Warfare, Durham 2017.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019