Demokratie und Herrschaftsverleugnung Oder: Plädoyer, die Demokratie zu schätzen, ohne ihre Herrschaftsstrukturen zu verkennen

Von Klaus Hofmann

Thomas Hobbes mokierte sich im Leviathan über Demokratien der Antike, die sich als Staaten freier Bürger ausgaben. Die Athener »wurden (um sie vom Wunsch nach einer Regierungsänderung abzuhalten) belehrt, sie seien freie Menschen [Free-men] und alle, die unter einer Monarchie leben, seien Sklaven (…).«[1] Später seien auch die Römer im republikanischen Rom instruiert worden, die Monarchie zu hassen und sich für Free-men zu halten.

Diese Lehren, überliefert von Autoren wie Aristoteles und Cicero, beurteilte Hobbes als falsche Freiheitsvorstellung (falseshew of Liberty), als Illusion und Verkennung oder Verleugnung der Herrschaft, welche in einer Demokratie wie in jeglicher Regierungsform vom Souverän ausgeübt werde. Die Freiheit, von der im antiken Diskurs die Rede ist, sei, so Hobbes, nicht die Freiheit einzelner Menschen, sondern die Freiheit des Gemeinwesens.[2]

Doch würden die Menschen leicht getäuscht vom trügerischen Begriff der Freiheit und missverstünden mangels Urteilskraft als ihr privates Gut und Geburtsrecht, was allein Recht des Gemeinwesens sei. Wenn dieses Miss­verständnis noch durch Autoritäten bekräftigt werde, sei es kein Wunder, dass es zu Aufruhr und Umsturz führe.[3] Durch »das Lesen dieser griechi­schen und lateinischen Autoren haben sich Menschen von Kindheit an da­ran gewöhnt, (unter falscher Freiheitsvorstellung) zu Tumult zu neigen und zur ungehörigen Kontrolle der Handlungen ihrer Souveräne und wiederum zur Kontrolle der Kontrolleure, unter so viel Blutvergießen, dass ich denke, wahrhaftig sagen zu können, dass nie etwas so teuer erkauft wurde, wie diese westlichen Länder die Gelehrsamkeit der griechischen und der latei­nischen Sprache erkauften«.[4] [...]

Anmerkungen

[1] Thomas Hobbes, Leviathan, hg. von Richard Tuck, Cambridge 1996, S. 150; eigene Übersetzung. Siehe auch ebd., S. 470–71.

[2] Ebd., S. 149; vgl. auch ebd., S. 90.

[3] Ebd., S. 149.

[4] Ebd.

Seite ausdrucken

Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019