Generation »Lost«? Die Pariser Exilliteratenbohème der zwanziger Jahre
Auch Woody Allen scheint ihr verfallen und widmete ihr mit »Midnight in Paris« gar einen Kinofilm: der Lost Generation. Der prominente Regisseur lässt hier seinen Protagonisten, ein beziehungsfrustrierter und literarisch ambitionierter Tourist aus den USA, bei einem Frankreichurlaub eine Zeitreise in das Paris der 1920er Jahre unternehmen, genauer: in das Künstler- und Literatenmilieu der französischen Hauptstadt. Dort trifft er auf den maskulin-verschwitzten Hemingway, den eleganten F. Scott Fitzgerald und dessen glamouröse Gattin Zelda. All diese Künstler sind – natürlich – viel inspirierender als seine reale Familie; die Tänze sind wilder, die Kleider frivoler als »Zuhause«. Also mag der Protagonist weder Zeit noch Ort verlassen, muss aber – das melancholische Ende des Films – erkennen, dass letztlich auch diese Zeitgenossen nur von der »besseren« Vergangenheit träumten. Die Moral des Films schließlich: Jeder empfindet seine Gegenwart als öde und sehnt sich in nostalgisch verklärte Zeiten zurück – die sich bei näherer Betrachtung natürlich als erheblich unspektakulärer als gedacht erweisen und deren Zeitgenossen sich wiederum in frühere Zeiten zurücksehnen. Gleichviel, ob man diese Klischees nun als genial ironisch gebrochen betrachtet,[1] oder das Ganze einfach banal findet: Offenbar ist diese Künstlerszene im Paris der 1920er Jahre auch heute noch faszinierend, denn in den Kinos unserer Gegenwart war »Midnight in Paris« Publikumserfolg.
Dabei ist der Film von 2011, wenngleich von der Kritik geschätzt, vielleicht einer der einfachsten, liebreizendsten, harmlosesten Zugänge – aber bei Weitem nicht der reizvollste […]
Anmerkungen:
[1] Vgl. z. B. Rainer Gansera, Poesie des Mirakels, in: Süddeutsche Zeitung, 17.08.2011; auch Andreas Platthaus, Im Bann der alten Zeit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2011.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2013 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2013