Lob des Vergessens Gewerkschaften im Wandel

Von Robert Lorenz

Was ist eigentlich mit den Gewerkschaften los? Immerhin sind sie fester Bestandteil der beinahe 150-jährigen Geschichte der Sozialdemokratie. Vor gar nicht so langer Zeit befanden sie sich noch in einem »Überlebenskampf im globalen Monopoly«[1] und benötigten eine »Rosskur gegen die Schwindsucht«[2]. Doch dann waren sie nach einem »Reformstolpern«[3] plötzlich wieder »kraftvoller Sozialpartner statt Gegenmacht«[4], hatten den Weg zur »IG Vernunft«[5] beschritten, statt wie einst einen fantasielosen »Kurs der Blockade«[6] zu fahren. Machte Gerhard Schröder als Regierungschef noch Scherze auf Kosten des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer, schmiss seine Nachfolgerin Angela Merkel kürzlich für den IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber anlässlich dessen Sechzigstem eine Geburtstagsparty im Kanzleramt. Und welcher Publikumsverlag wäre schon bis vor Kurzem ernsthaft auf die Idee gekommen, wie Hoffmann & Campe ein Buch über den Werdegang des Zweiten Vorsitzenden der IG Metall (Detlef Wetzel) zu veröffentlichen?

Das Öffentlichkeitsbild der deutschen Gewerkschaften hat sich offenbar gewandelt. Organisationen wie die IG Metall gelten nicht mehr als notorische Loser, denen aufgrund ihrer Inkompetenz und Verbohrtheit kaum noch zu helfen ist und deren Politik als höchste Gefahr für die deutsche Wirtschaft ausgemacht wird. Das ist in der Tat neu. […]

Anmerkungen:

[1] Uwe Ritzer, Überlebenskampf im globalen Monopoly, in: Süddeutsche Zeitung, 30.04.2007.

[2] Wolfgang Storz, Rosskur gegen die Schwindsucht, in: Freitag, 04.05.2007.

[3] Maike Rademaker, Reformstolpern bei der IG Metall, in: Financial Times Deutschland, 12.10.2011.

[4] Günther M. Wiedemann, Kraftvoller Sozialpartner statt Gegenmacht, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 06.10.2011.

[5] Stefan v. Borstel u. Flora Wisdorff, IG Vernunft, in: Die Welt, 08.11.2007.

[6] Christoph B. Schiltz, Die Gewerkschaften müssen endlich aufwachen!, in: Die Welt, 23.05.2003.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012