Fußball feiern Festkultur im Wandel
Da waren sie wieder, die Überzieher für Autospiegel in den Nationalfarben. Einige Wochen vor der Europameisterschaft tauchten sie an den ersten Autos auf und vermehrten sich in Windeseile. Was zur Fußball-Weltmeisterschaft (der Männer) 2006 als »Sommermärchen« begann, wiederholt sich seitdem zyklisch, ist abrufbar und erweiterbar. Schwarz-Rot-Gold in allen Varianten: als Autofähnchen, Autospiegelüberzieher, T-Shirt, Mütze, Grillschürze, Puschelkette, Armbändchen, Dreifachstift für Wangenkriegsbemalung und sogar als Bunny-Haarreif. Nur die Vuvuzela von 2010, die hat genervt und findet allenfalls noch als Protestinstrument gegen scheidende Bundespräsidenten Verwendung.
Der Fußball bringt Menschen auf die Straße. Die Public Viewings zur Europameisterschaft waren selbst bei schlechtem Wetter gut besucht. Es herrschte Ausgelassenheit, Freude, Empathie, ja Begeisterung – selbst bei denen, die sonst nichts mit Fußball am Hut haben. Die Berliner Fanmeile musste schon im Abschlussspiel der Vorrunde ihre Tore schließen, weil eine halbe Million Menschen zusammengekommen waren, um gemeinsam am Spiel »ihrer« deutschen Mannschaft teilzuhaben – in einer Form, die man im Alltag nicht antrifft, und in einer Hochstimmung, die an der Arbeit und in der Familie ausgesprochen selten ist.1 Solche Begeisterung ist nichts anderes als ein Fest. Mit allem, was zu einem Fest dazugehört. […]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012