Invented Cities – vom Abstrakten zum Konkreten und zurück

Bildonzept zur INDES-Ausgabe 2-2012 von Dieter Hennicken und Marcus Wilhelm

»Wir befinden uns im Jahr 2030. Bereits seit zwei Jahrzehnten wirkt sich der Klimawandel auf Europa aus. Aufgrund des Abschmelzens der Polkappen sind größere Küstenab schnitte an der Nordsee immer wieder von Überschwemmungen betroffen. Vor der Küste Rotterdams ist daher eine schwimmende Stadt zu bauen.

Die Durchschnitts temperaturen in Südeuropa haben sich kontinuierlich erhöht, viele Gegenden leiden un ter großer Trockenheit. Auf einer Hochebene südlich von Madrid sind Solarthermiekraftwerke ent standen, in der Folge haben sich Forschungseinrichtungen und Hochtechnologiefirmen angesiedelt. Für die zahlreichen Mitarbeiter und deren Familien ist eine neue Stadt zu gründen.«

Mit diesen beiden Aufgabenstellungen wurden die Studierenden des 2. Semesters im Fachgebiet Städtebau der Universität Kassel konfrontiert. Die dahinter stehende didaktische Konzeption basiert auf unserer langjährigen Erfahrung in so genannten Einführungsstudios. Diese für den Studiengang der Stadtplanung spezifische Lehrform weist einige Besonderheiten auf:

– Der Leistungsumfang beträgt etwa 40 % des gesamten Semester-Workloads

– Die Studierenden arbeiten in einer festen Gruppe von ca. 20 Personen und werden intensiv von Tutoren betreut – Die Gesamtaufgabe ist in aufeinander aufbauende Teilschritte unterteilt

– Die Teilaufgaben umfassen wissenschaftliche und entwurfliche Arbeitsweisen, die eng miteinander
verzahnt werden

In der Praxis hat sich gezeigt, dass Aufgabenstellungen mit einem hohen Freiheitsgrad für diese Lehrform besonders geeignet sind: Ein spielerischer, kreativer, ergebnisoffener Zugang zur Materie fördert Neugierde, Engagement und Qualität der Ergebnisse.

Der Rollenwechsel zwischen Einzel- und Gruppenarbeit mit der Notwendigkeit, Zwischenergebnisse vorzustellen, zu diskutieren und Folgerungen auszuhandeln, sind in hohem Maße geeignet, soziale Kompetenz in kooperativen Arbeitsverfahren zu lernen. Stadtplanerische Probleme sind strukturell bösartig (Rittel 1971) und daher nicht lösbar, sondern ausschließlich gesellschaftlich verhandelbar. Der von uns verfolgte komplexe Ansatz fördert durch Zugänge auf unterschiedlichen Lernebenen ein breites Problemverständnis.

Das Thema Stadtutopien liefert dabei eine vorzügliche Projektionsfläche, um bestehende Vorstellungen von Stadt, Gesellschaft und Zusammenleben zu hinterfragen und zugleich Ideen zu produzieren, wie Stadt in ihren räumlichen, sozialen, wirtschaftlichen und funktionalen Zusammenhängen zukünftig aussehen kann. Dieses Spannungsfeld versetzt Studierende in die Lage, über den Erwerb von Wissen und handwerklichen Fähigkeiten hinaus Haltungen zu entwickeln.

Kontaktdaten:

Dieter Hennicken, FG Städtebau FB 06 Universität Kassel
Gottschalkstraße 22 34127 Kassel

Marcus Wilhelm (Mitarbeiter FG Städtebau bis 2011, seither Lehraufträge)
programat4architektur, Kassel – info@programat4.de – www.programat4.de

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 2-2012| © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2012