Preußen als Vorbild? Sebastian Haffners Bestseller »Preußen ohne Legende«
Kurz vor Weihnachten des Jahres 1978 kam ein opulent gestalteter Bildband im Quartformat auf den Markt, der 1979 trotz seines stolzen Preises von 78 Mark (und 65 Mark Subskriptionspreis) für lange Zeit die vorderen Plätze der Spiegel-Bestellerliste belegen sollte. Dabei handelte es sich um das Buch »Preußen ohne Legende«. Autor war der gebürtige Preuße Sebastian Haffner (1907–1999), der sich in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland einen Namen als streitbarer politischer Kommentator
gemacht hatte. In seinen Kolumnen für die Illustrierte Stern und die linke Studentenzeitschrift Konkret ergriff er ohne Einschränkung Partei für die protestierende Jugend, plädierte für eine bedingungslose Anerkennung der DDR, lobte Rudi Dutschke und Mao Tse-tung und nannte Walter Ulbricht den »erfolgreichste[n] deutsche[n] Politiker seit Bismarck«[1]. Mitte der 1970er Jahre wurde es allerdings ruhiger um Haffner, der seinen Posten beim Stern 1975 aufgab, im Frühjahr 1978 aber erneut von sich reden machte. Damals erschienen im Münchner Kindler Verlag seine »Anmerkungen zu Hitler«[2]. Der schmale Band über den deutschen Diktator wurde zur erfolgreichsten Buchveröffentlichung Haffners, zumindest zu dessen Lebzeiten. Etliche Übersetzungen, diverse Preisverleihungen, zahlreiche Einladungen zu Lesungen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen sowie lukrative Anfragen für Gastbeiträge und weitere Buchpublikationen waren die Folge.
Für »Preußen ohne Legende« ist Haffner zu seinem früheren Arbeitgeber Stern zurückgekehrt, dessen Buchverlag den großangelegten Essay über den Hohenzollernstaat veröffentlichte. Den Gepflogenheiten des Hauses entsprechend, wurde der Band mit zahlreichen Abbildungen von herausragender Qualität bestückt. […]
Anmerkungen:
[1] Sebastian Haffner, Monatslektüre, in: Konkret, H. 9/1966; zu Haffner insgesamt vgl. Jürgen Peter Schmied, Sebastian Haffner. Eine Biographie, München 2010.
[2] Sebastian Haffner, Anmerkungen zu Hitler, München 1978.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2016 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2016