Die Opposition übernimmt die Villa Hammerschmidt Bundespräsident Karl Carstens als Speerspitze der Gegenreform?
Stand der bundesrepublikanische Staat im Jahr 1979 unmittelbar vor der Machtübernahme einer »Gang«? Diese sinistere Befürchtung äußerte seinerzeit nicht etwa ein verschrobener Verschwörungsrauner, von denen es damals zumindest in der öffentlichen Präsenz auch längst nicht so viele Exemplare gab wie in der aktuellen Gegenwart. Vielmehr war es ein veritabler Finanzsenator und später – von 1995 bis 2005 – durchaus reputierlicher Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen: Henning Scherf. Der Sozialdemokrat gab 1979 in einem Interview mit der Tageszeitung seiner Heimatstadt seine private apokalyptische Vorstellung über den Verlauf der Politik kund: »Stellen Sie sich vor, einer wie Carstens, den ich nicht mag, an der Spitze des Staates, dann Stücklen als Bundespräsident und schließlich Strauß als Kanzler. Das ist doch ein Alptraum. Für mich wäre das so, als ob dieser Staat dann an eine Gang abgetreten würde.«[1]
Kohl mochte nicht
Ganz so drastisch hätten und haben es andere prominente Sozialdemokraten Anfang 1979 zwar nicht zugespitzt. Aber Sorgen machten sie sich schon, dass im Laufe des Jahres 1979 die Weichen für einen Machtwechsel nach rechts, in Richtung des dezidiert konservativen Flügels der Christlichen Union gestellt werden könnten. Und die Übernahme des Bundespräsidentenamtes, erstmals in der Geschichte der Republik aus der Opposition heraus, schien ein symbolischer Markstein der machtpolitischen Verschiebung zu sein.[2] […]
Anmerkungen:
[1] Zit. nach Erich Böhme, Keine Hoffnung, in: Der Spiegel 13.08.1979.
[2] Vgl. Rolf Zundel, Ein bisschen Machtwechsel?, in: Die Zeit, 02.02.1979.
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2016 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2016