Zwischen allen Stühlen Zur Entwicklung der USPD

Von Lutz Häfner

»Die unabhängige Sozialdemokratie ist ein Kind des Weltkrieges. Sie entstand aus Bewegungen des Protestes gegen die von der Mehrheit der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion eingeschlagene [sic, d. Verf.] Politik, die von der Opposition innerhalb der Partei als unvereinbar mit den sozialistischen Grundsätzen und als verderblich für das deutsche Volk selbst auf das schärfste bekämpft wurde.«[1] So charakterisierte Karl Kautsky die Entstehung der USPD.

Negative Integration

Im Anfang also war der Erste Weltkrieg. Er spaltete die internationale Arbeiterbewegung. Die II. Internationale erwies sich als handlungsunfähig und verfiel in Agonie. Wie kein anderer Gegenstand der politischen Tagesordnung verhinderte er das klassische sozialdemokratische »Sowohl-Als-auch«. Der Krieg stellte jeden politischen Akteur vor die Wahl: entweder oder. Tertium non datur. Sogar dem Kautskyanismus entzog er die Basis. Die SPD hatte dem Talent ihres marxistisch geschulten Cheftheoretikers Karl Kautsky viel zu verdanken, der bis 1914 mit seinen mäandrierenden Resolutionstexten Formelkompromisse herbeiführen konnte, ernsthaften Dissens und inkompatible Positionen konfligierender innerparteilicher Strömungen überwölbte und so »den Laden zusammenzuhalten« vermochte.

Der Krieg bedeutete Kriegsrecht, Versammlungsverbot, längere Arbeitszeiten, Hunger – und in seiner Konsequenz: eine Radikalisierung der Arbeiterschaft und auch der Gewerkschaften. […]

Anmerkungen:

[1] Internationales Institut für Sozialgeschichte/International Institute of Social History (IISG), Nachlaß Kautsky, A 83 (Über den inneren Gegensatz in der USP), (Dez. 1918), Bl. 1. Ähnlich argumentierte Arthur Rosenberg, Die Entstehung der deutschen Republik 1871–1918, Berlin 1928, S. 108.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2016 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2017