Nichts genaues weiß man nicht Die deutsche Politikwissenschaft und die Gründung des BSW

Von Julia Reuschenbach

Unruhe in der deutschen Politikwissenschaft. Eine Parteineugründung – man könnte fragen: »Schon wieder?« Womöglich gar mit Potenzialen ausgestattet, die binnen kürzester Zeit den Einzug ins Europaparlament oder in ostdeutsche Landtage möglich machen? Die Ankündigung der früheren und überaus prominenten LINKEN-Politikerin Sahra Wagenknecht, eine eigene Partei zu gründen, hat in Teilen der deutschen Politikwissenschaft ein geschäftiges Treiben ausgelöst. Was wird das für eine Partei sein? Welche Rolle spielen die drei »P’s« der Wahlforschung – Partei, Programm und Person – für die Chancen der neuen Gruppierung? Welche Einstellungen haben Sympathisanten, für wen ist sie Konkurrentin oder potenzielle Partnerin? Werfen wir einen Blick in den Maschinenraum der Politikwissenschaft.
 

Parteien, Parteien, überall neue Parteien ...

Parteineugründungen, zumal erfolgreiche, sind in der Bundesrepublik eher selten,[1] wenn auch jüngst, etwa am Beispiel der Werte Union oder der Klimaliste, häufiger zu beobachten. Könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht (im Folgenden: BSW) demnächst der AfD den Rang als erfolgreichste Parteineugründung seit 1990 ablaufen? Daran gibt es berechtigte Zweifel. Doch der Reihe nach. Die Vorgeschichte zur Gründung des BSW ist vielfach erzählt, weshalb sie hier nicht Gänze referiert, sondern vor allem mit Blick auf ihre Implikationen für politikwissenschaftliche Fragestellungen – und das sind eine ganze Menge – erläutert werden soll. Die wechselseitige Leidensgeschichte der Linkspartei und Sahra Wagenknechts ist lang. Sie reicht über die 2015 einsetzende und in erster Linie migrationspolitische Abgrenzung hinaus; schon zuvor sicherte Wagenknecht mit ihrer Popularität der LINKEN Strahlkraft und Aufmerksamkeit, sorgte zugleich aber parteiintern als enfant terrible für Unruhe und Auseinandersetzungen.[2] Die Trennung von Partei und Person vollzog sich im Fall Wagenknechts nicht ad hoc, sondern zog sich hin – die von ihr im Jahr 2018 ins Leben gerufene Bewegung »Aufstehen!« markierte die erste entscheidende Absetzbewegung Wagenknechts. Die Bewegung scheiterte, doch der Riss blieb.

Es folgte das Buch Die Selbstgerechten, mit dem Wagenknecht weiten Teilen der Linken eine Lifestyle-Attitüde unterstellte, gegen Wokeness und Gendersprache wetterte und ihre Kritik an der Migrationspolitik (und damit auch an den migrationspolitischen Positionen und Beschlüssen der eigenen Partei) fortsetzte. Nach dem Erfurter Parteitag 2022, bei dem ein außenpolitischer Antrag des Wagenknecht-Lagers keine Mehrheit erhalten hatte, wurde der Riss zur Bruchlinie. Wagenknecht kündigte im März 2023 an, nicht erneut für die LINKE kandieren zu wollen und liebäugelte offen mit der Gründung einer eigenen Partei. Den Parteiausschlussbeschluss des LINKEN-Parteivorstands im Juni 2023 (»Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht«), beantwortete Wagenknecht im September mit der Gründung des Vereins »BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit«, bevor sie wenige Wochen später gemeinsam mit neun weiteren Bundestagsabgeordneten ihren Austritt aus der Bundestagsfraktion und die Gründung einer eigenen neuen Partei ankündigte. Spätestens jetzt hatte die Politikwissenschaft die Fährte aufgenommen.

Zu Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung standen in erster Linie (rechtliche) Fragen der Parlamentsforschung im Fokus. Was bedeutet der Austritt aus der Fraktion für die Fraktion und den Deutschen Bundestag? Würde das BSW künftig als Gruppe im Bundestag vertreten sein (inzwischen kennen wir die Antwort: Ja!)? Dürften die Austrittler:innen der weiteren Sitzungen der Fraktion verwiesen werden? Schnell machte das Stichwort vom »freien Mandat« der Abgeordneten die Runde. Im Fach und darüber hinaus wurde diskutiert, inwieweit es – normativ – verwerflich oder – objektiver – rechtlich und politisch problematisch sei, dass Wagenknecht und Konsort:innen zwar die Fraktion, zumindest vorläufig aber nicht die Partei verließen. Die LINKE wiederum (und damit deren Fraktion) verdankte den Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 2021 der sogenannten Grundmandatsklausel, nach der Parteien auch dann gemäß ihrem Zweitstimmenanteil in den Deutschen Bundestag einziehen, wenn sie zwar die Fünfprozenthürde verfehlen, jedoch (mindestens) drei Direktmandate erringen können. Wagenknecht hatte keines dieser Mandate errungen, aber durch ihr Verhalten ab Herbst 2023 zumindest für einige Wochen in der Hand, wann die Fraktion der LINKE keine mehr sein würde. So viele spannende Fragen. Doch die, zumindest aus Sicht der Parteienforschung und der Politischen Soziologie, wohl virulenteste Frage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet (und ist es – Spoiler! – in Teilen bis heute noch nicht).
 

Links, rechts, progressiv, autoritär – nichts Halbes, nichts Ganzes?

Was würde die Partei BSW für eine Partei sein? Erste neugierige und mutige Kolleg:innen machten sich auf den Weg, diese Frage zu erforschen, als es nurmehr die Ankündigung ihrer Gründung, noch nicht aber die Partei selbst gab. Sarah Wagner, Constantin Wurthmann und Jan Philipp Thomeczek loteten in ihrem Beitrag Briding Left and Right? How Sahra Wagenknecht Could change the German Party Landscape in der Politischen Vierteljahresschrift im Herbst 2023 aus, inwieweit es sich bei der BSW um eine linksautoritäre Partei handeln könnte und welche Wählergruppen für diese Partei in Betracht kämen. Der Beitrag machte die drei Autor:innen schlagartig zu vielgefragten Gesprächspartner:innen, suchten doch Medien Land auf, Land ab nach Erklärungen für das »Phänomen Wagenknecht«.[3] Gleich zu Beginn zeigen die Autor:innen, dass die von Wagenknecht adressierte Kombination aus ökonomisch linken und kulturell-gesellschaftspolitisch rechten Positionen einen bislang freien Platz im deutschen Parteiensystem besetzen könnte. Die Beschäftigung mit diesem Quadranten in der Vier-Felder-Matrix der politischen Landschaft (Links-rechts-Verortung vs. konservativ – progressiv[4]) ist ein bislang von der politikwissenschaftlichen Forschung wenig bestelltes Feld.[5] Also los!

Was wird deutlich? Wagner et al. entfalten die bisherige Forschung entlang der Arbeiten zur Arbeiterklasse (working class) und der inzwischen nicht mehr ganz so neuen Konfliktlinie zwischen, zugespitzt, Kosmopoliten und Kommunitaristen.[6] Sie verdeutlichen, dass die Salienz des Themas Migration in den Jahren ab 2015 auch für radikal linke Parteien, etwa die griechische Syriza oder die irische Sinn Fein, bedeutsam war. Diese konnten im Zuge fortschreitender Globalisierung und im Schatten der Weltfinanzkrise nicht nur mit euroskeptischen Positionen punkten, sondern auch Unterstützung von Wähler:innen der Arbeiterklasse mit migrationskritischen oder -feindlichen Einstellungen gewinnen.[7] Zwar überwiege in den Positionen radikal linker Parteien im Politikfeld Migration weiterhin das »Pro«; gerade innerhalb der working class gewännen dieses und korrespondierende soziokulturelle Themen aber zunehmend an Relevanz. Was bedeutet dies nun für die Gründung der BSW? Bislang hatten Wähler:innen mit linksautoritären Einstellungen in Deutschland kaum eine Möglichkeit, eine Partei zu wählen, die ihren Überzeugungen entspricht.[8] Als unzureichend empfundene parteipolitische Repräsentation kann bei den Wähler:innen zu Unzufriedenheit führen und Nichtwahl verstärken. Angesichts dieser »Versorgungslücke« verwundern die von Nils Steiner und Sven Hillen nachgewiesene geringere Zufriedenheit linksautoritärer Wähler:innen und ihr geringeres politisches Vertrauen nur wenig.[9] Bereits vor Erscheinen des BSW am parteipolitischen Horizont diskutierten Steiner und Hillen den Zusammenhang zwischen linksautoritären Einstellungen und der Wahlentscheidung für die AfD. Ihre Erkenntnisse lauteten: Linksautoritäre Wähler:innen stimmen seltener für die AfD, wenn sie ökonomische Aspekte priorisieren. Wenn ihnen jedoch Fragen zum Thema Einwanderung wichtiger sind, steigt die Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahl von 15,7 Prozent auf 24,7 Prozent. Wenn dann auch noch der Eindruck vorhanden ist, dass die AfD eine linksorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 29,6 Prozent. Und last but not least: Wenn diese Wähler:innen dann auch noch Migration/Einwanderung als wichtigstes Thema ansehen, klettert die Wahrscheinlichkeit auf 34,3 Prozent.[10] Wähler:innenwanderungen zeigen, dass die LINKE bei der Bundestagswahl 2017 rund 430.000 Wähler:innen an die AfD verlor. Ein Grund – wenn auch aus Sicht der Verfasserin keineswegs der einzige – liegt dabei darin, dass Wähler:innen die migrationspolitischen Positionen der LINKE falsch einschätzten und sich daher für die AfD entschieden.[11]
 

Was bedeutet all dies nun für das BSW?

Auch Aiko Wagner widmet sich in seinem Impulspapier Lechts oder rinks? Das Bündnis Sahra Wagenknecht im Parteienwettwerb für die Friedrich-Ebert-Stiftung noch vor dessen offizieller Gründung dem BSW. Anknüpfend an die Forschungen von Sarah Wagner und Kollegen diskutiert er mögliche Personen-, Positions- und (wichtig!) Populismuseffekte mit Blick auf die Unterstützung für das BSW. Er verwendet dazu die Daten des FES-Projekts Kartographie der Arbeiter:innenklasse von 2024. Wagner kommt zu dem Schluss, dass das BSW vor allem eine Konkurrenz für die AfD darstellen werde und erst an zweiter Position und mit gewissem Abstand für ihre ehemalige Partei Die LINKE. Die im Mittel eher geringen persönlichen Zustimmungswerte Wagenknechts in Umfragen führt Wagner darauf zurück, dass Wagenknecht zwar einerseits über eine Fangemeinde verfüge, andererseits aber auch starke Ablehnung erfahre.[12] Indes wird deutlich, dass Wagenknecht gerade in der Anhängerschaft der AfD deutlich positiver bewertet wird als ihre damalige Partei Die LINKE. Aufhorchen lässt, dass der Anteil derjenigen, die Wagenknecht positiv und positiver als Die LINKE bewerten, bei den Anhänger:innen aller anderen Parteien (mit Ausnahme der Grünen) und bei den Nichtwähler:innen ebenfalls zwischen immerhin zwanzig bis dreißig Prozent liegt.[13]

Anhand Wagenknechts Äußerungen gegen »linksliberale Hypermoral« und die »selbstgefällige Art der tonangebenden Eliten in Politik und Medien« unterstreicht und veranschaulicht Wagner den populistischen Gehalt. Seine Datenanalyse bestätigt die Annahme, dass es sich beim BSW voraussichtlich um eine links-autoritäre populistische Partei handeln werde. Schon 2022 hatte Wagner zusammen mit Josephine Lichteblau die Bedeutung der populistischen Dimension für Wahlentscheidungen betont.[14] Zudem weist Wagner auf weiterführende Fragen hin, die für Regierungslehre über Demokratie- und Koalitions- bis zu Protestforschung interessant sein dürften. Erstens: die Frage nach den kurzfristigen Folgen eines BSW-Erfolges bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – womöglich einhergehend mit Stimmverlusten für die AfD gegenüber den vorangegangenen Rekordumfragewerten. Höchstwahrscheinlich wird die Bildung parlamentarischer Mehrheiten zukünftig noch schwerer fallen – zumal wenn das BSW auch von anderen Parteien Stimmen gewinnen oder Nichtwähler:innen mobilisieren kann.[15]

Andere, wie Cas Mudde oder Oliver Nachtwey, befürchten, dass die Übernahme von rechtspopulistischen und extrem rechten Positionen durch das BSW auch die Kernthemen solcher Kräfteeiter normalisieren und legitimieren könnte.[16] Zweitens stellt Wagner die Frage, ob eine mögliche längerfristige Folge die Entwicklung hin zu einem Parteiensystem mit »polarisierten Pluralismus« nach Giovanni Sartori sein könnte. Ein solches Parteiensystem

»ist vor allem durch die Existenz zweier relevanter Parteien gekennzeichnet, die auch und insbesondere aufgrund von Entfremdungsgefühlen Stimmen gewinnen, die die Legitimität des politischen Systems infrage stellen und die zugleich den unterschiedlichen ideologischen Polen zugerechnet werden können. Die Regierungsparteien der Mitte sehen sich dann einer bilateralen Opposition gegenüber, die sich – selbst frei von Regierungsverantwortung – in einen Überbietungswettbewerb gegeneinander und gegenüber der Regierung begeben könne. Die Ränder, und nicht die politische Mitte, wären dann Fluchtpunkt des Parteienwettbewerbs […]«[17]

Noch sind wir davon hinreichend weit entfernt. Aber schon die Landtagswahlen im Herbst 2024 könnten ein erster Schritt zu einer solchen Entwicklung sein.
 

»Dafür stehe ich mit meinem Namen.«

Mittlerweile liegen mit der offiziellen Gründung der Partei am 8. Januar 2024 und ihrem zweiten Parteitag am 27. Januar 2024, der zugleich als Europaparteitag fungierte, erste – wenn auch sehr überschaubare – programmatische Papiere der BSW vor. Die Konrad-Adenauer-Stiftung blickt in ihrem Parteienmonitor[18] wohl nicht nur deshalb genauer auf das BSW, weil Sahra Wagenknecht eine Zusammenarbeit etwa mit der sächsischen CDU von Michael Kretschmer nicht ausgeschlossen hat oder weil der thüringische CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt zwar eine Koalition mit dem amtierenden und einzigen LINKEN-Ministerpräsident Bodo Ramelow verneint, sich mit Blick auf das BSW aber erstaunlich bedeckt hält.

Des weiteren ist der Monitor eine der wenigen Publikationen, die sich in größerem Umfang den inhaltlichen Positionen des BSW widmet, welche er pointiert zusammenführt in der Überschrift: »Zwischen linkskonservativem Populismus, EU-Kritik und Russlandnähe«[19]. Ein Grundsatzprogramm will die Partei bis zur Bundestagswahl 2025 entwickeln. Das bisherige – vierseitige – Parteiprogramm dreht sich um vier Schlagworte: »Wirtschaftliche Vernunft«, Soziale Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit. Im Mittelpunkt der Analysen steht jedoch vor allem das Europaprogramm mit immerhin zwanzig Seiten Umfang – getränkt von EU-Skepsis und populistischer Rhetorik. Da trifft die Klage, dass »die Brüsseler Politik geprägt [sei] von Hinterzimmer-Deals, undurchsichtiger Einflussnahme in Expertengremien und mangelnder Kontrolle«[20] auf die Behauptung, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein »blutiger Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland«[21] und die Forderung, Europa dürfe nicht länger »eine digitale Kolonie der Vereinigten Staaten sein«[22], auf die Information, »dass ein Kampfjet in einer Stunde mehr klimaschädliche Emissionen verursacht als ein normaler PKW-Fahrer in 17 Jahren.«[23]

Die wenigen programmatischen Forderungen lassen sich aus diesem Reigen gut ableiten: Beendigung der »ruinöse[n] Sanktionspolitik«[24] gegenüber Russland samt Wiederaufnahme der Öl- und Gaslieferungen, Beendigung von Waffenlieferungen an die Ukraine und Zahlung weiterer Hilfsgelder nur im Falle von deren Bereitschaft zu Friedenverhandlungen. Die Forderung nach Technologieoffenheit statt vollständiger Umstellung auf erneuerbare Energien, inklusive Rücknahme des Verbrenner-Aus, prägen das Programm in den Bereichen Klima und Umwelt.

Hinzu kommen stärker klassisch linke sozialpolitische Forderungen – höhere Renten, bessere Sozialleistungen für ältere Arbeitslose, die Bekämpfung von Kinderarmut, eine Vermögenssteuer für Milliardäre, der Kampf gegen die Marktmacht der Konzerne –, bei deren wirtschaftspolitischen Grundlagen Nachtwey Wagenknecht gleichwohl »näher an Josef Schumpeter als an Karl Max« sieht.[25]
 

Vorhang zu und alle Forschungsfragen offen?

Die Politikwissenschaft blickt vielgestaltig, perspektiven- und methodenreich auf die Parteineugründung. Dabei wurden sowohl organisatorische Fragen (etwa die Finanzierungsstruktur von Verein und Partei, der Aufbau der einzelnen Landesverbände und deren Protagonisten) als auch jüngste Forschungsaktivitäten (zum Beispiel das »BSW-Ometer« des Kollegen Thomeczeck[26]) noch nicht einmal angesprochen. Ebenso wäre die mediale Berichterstattung über das BSW und die dabei zu konstatierende Disproportionalität, dass eine kleine Gruppe von zehn Personen im Bundestag, Mitglieder einer vor wenigen Monaten gegründeten Partei, durch ihre Vorsitzende so viel mediale Aufmerksamkeit erhält wie wohl kaum eine Neugründung zuvor oder auch die im Bundestag verbliebene LINKE-Gruppe, deren Partei immerhin (noch) einen Ministerpräsidenten stellt und in drei Ländern mitregiert, zu erwähnen.

Was aber auch bleibt, ist ein Blick auf die Binnenlogiken unseres Faches, stark geprägt von der zweifelsohne wichtigen quantitativen Forschung. Umso spannender wären nun qualitative oder Mixed-methods-Designs, bei denen Forscher:innen mit den in der Zahl noch begrenzten Mitgliedern und Kandidierenden der BSW ins Gespräch gehen, die mediale Berichterstattung zur Gründung der Partei untersuchen oder auf den künftigen Parteitagen zur Beobachtung teilnehmen und interviewbasierte Studien anfertigen.

Beim zweiten Parteitag im Januar 2024 durfte die Verfasserin dieses Textes vor Ort sein. Seitdem beschäftigt mich, dass die starke inhaltliche Kontinuitätslinie »Forderungen nach Frieden« mit Blick auf den Krieg in der Ukraine den Tag und alle Redebeiträge weit mehr durchzog als etwa die (von vielen erwarteten) Themen Migration, Wokeness, Gendern und Co. Unter Umständen könnten die Wahlen in diesem Jahr dahingehend doch ein Überraschungsmoment produzieren, so sich die Frage stellt, welche anderen Parteien bei diesem Thema Stimmen an die BSW verlieren könnten. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die SPD jüngst ihren Europawahlkampf mit einer friedenspolitischen Kampagne begonnen hat.[27]

[1] Vgl. Aiko Wagner, Lechts oder rinks? Das Bündnis Sahra Wagenknecht im Parteienwettbewerb, Bonn 2023, tinyurl.com/indes24133a.

[2] Sehenswert hierzu die Dokumentation von Birgit Wärnke, Der Bruch. Sahra Wagenknecht und die Linke, NDR/RBB 2023, tinyurl.com/indes24133b.

[3] Statt vieler: »Sie würde eine große Lücke füllen«. Interview mit Sarah Wagner, in: Zeit Online, 25.08.2023,tinyurl.com/indes24133c;  Analyse von Constantin Wurthmann zum Bündnis Sahra Wagenknecht, in: phoenix, 23.10.2023, tinyurl.com/indes24133d; »Die Repräsentationslücke ist kein Hirngespinst von Wagenknecht«. Interview mit Jan Philipp Thomeczek, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 09.02.2024, tinyurl.com/indes24133e.

[4] Vgl. Aiko Wagner, S. 2.

[5] Vgl. Sarah Wagner u. a., Briding Left and Right? How Sahra Wagenknecht Could change the German Party Landscape, in: Politische Vierteljahresschrift, H. 3/2023, S. 621–636, hier S. 624.

[6] Vgl. ebd.

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. Pippa Norris, Varieties of populist parties, in: Philosophy & Social Criticism, H. 9–10/2019, S. 981–1012.

[9] Vgl. Sven Hillen & Nils D. Steiner, The consequences of supply gaps in two-dimensional policy spaces for voter turnout and political support: the case of economically left-wing and culturally right-wing citizens in Western Europe, in: European Journal of Political Research, H. 2/2020, S. 331–353.

[10] Vgl. Nils D. Steiner & Sven Hillen, Vote choices of left-authoritarians: misperceived congruence and issue salience, in: Electoral Studies, H. 1/2021, S. 7, tinyurl.com/indes24133f.

[11] Vgl. Sarah Wagner u. a., S. 626.

[12] Vgl. Aiko Wagner, S. 1. Anders hingegen Carsten Braband & Mario Candeias, Nach der Trennung. Eine Anti-Establishment-Partei? Zur Verortung des »Bündnis Sahra Wagenknecht« im Parteiensystem, Berlin 2024, S. 9.

[13] Aiko Wagner, S. 1.

[14] Vgl. ders. & Josephine Lichteblau, »A New Player in the Game: Changing Electoral Competition in Germany«, in: Rüdiger Schmitt-Beck u. a. (Hg.), The Changing German Voter, Oxford 2022, S. 121–142.

[15] Vgl. Aiko Wagner, S. 4.

[16] Vgl. Cas Mudde, Can Europe’s new »conservative left« persuade voters to abandon the far right?, in: The Guardian, 16.01.2024,tinyurl.com/indes24133g; Oliver Nachtwey, BRD noir, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.09.2023, tinyurl.com/indes24133h.

[17] Aiko Wagner, S. 4.

[18] Konrad-Adenauer-Stiftung (Hg.), Das »Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit« (BSW), Parteienmonitor, März 2024.

[19] Ebd., S. 1.

[20] Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit, Programm für die Europawahl 2024, S. 19, tinyurl.com/indes24133i.

[21] Ebd., S. 15.

[22] Ebd., S. 3.

[23] Ebd., S. 9.

[24] Ebd., S. 6.

[25] Braband & Candeias, S. 8.

[26] Vgl. »BSW-O-Mat: Wieviel Sahra Wagenknecht steckt in Ihnen?« Interview mit Jan Philipp Thomeczek, in: Der Freitag, 19.01.2024,tinyurl.com/indes24133j.

[27] Vgl. tinyurl.com/indes24133k.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024