Mit Rechtspopulisten reden? Der Bundespräsident, die AfD und das Wagnis des Gesprächs

Von Knut Bergmann

Das »Wagnis der Öffentlichkeit« hat Hannah Arendt nie gescheut.[1] Vehement trat sie dafür ein, Ansichten anderer, auch – oder gerade – die, die nicht der eigenen entsprechen, zu ertragen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Doch das öffentliche Gespräch, das Arendt als Grundlage des Poltischen ansah, baut auf Konstruktivität der Teilnehmer – und ist mit Vertretern der AfD nur schwer zu führen. In den Parlamenten werden Debatten von AfD-Abgeordneten oft dafür genutzt – oder treffender: missbraucht –, zu hetzen, zu pöbeln und Social Media-gängige Eklats zu provozieren. Dementsprechend ist es wenig sinnvoll, Vertreter dieser Partei zu Podiumsdiskussionen einzuladen, ihnen eine Bühne zu bieten; auf ein sachliches Gespräch und Faktentreue darf man nicht hoffen, umso weniger, je größer die Öffentlichkeit ist. Dieser Maßgabe folgen auch manche Medien, der Spiegel beispielsweise führt keine Wortlaut-Interviews mehr mit ihnen.

Insofern wird der Rat, die Partei und ihre Protagonisten inhaltlich zu stellen – und nicht bloß auszustellen, wie es manchmal im Bundestag und den Landesparlamenten und meistens in den Talkshows, mal mehr, mal weniger erfolgreich, geschieht – auf manchen etwas wohlfeil wirken. Selbst Hannah Arendt hätte die Ansichten der AfD nur so weit ertragen, wie sie den argumentativen Grund der Sachlichkeit nicht allzu weit verlassen hätte. Trotzdem gilt der Satz von Johnny Cash »My arms are too short to box with God« keinesfalls für die AfD, und dies nicht allein wegen ihrer stark säkularen Anhängerschaft. Politiker wie Parteigänger der Rechtspopulisten sind argumentativ schlagbar. Zudem hat der fortwährende Ausschluss den Effekt, dass er das Opfernarrativ der Partei nährt – wobei das umgekehrt keinesfalls bedeutet, über jedes von AfD-lern hingehaltene Stöckchen zu springen, wie dies medial wie politisch phasenweise geschehen ist. Zu oft erfolgten Reaktionen reflexhaft, und nicht bei jedem live gesendeten Interview stellte sich der Eindruck bestmöglicher Vorbereitung der Moderatoren ein. Haltung hilft journalistisch hier genauso wenig wie davon geprägte Fensterreden gesellschaftlicher Eliten, schlimmstenfalls belehrenden Charakters.
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[1] Siehe hierzu und einer modernen Interpretation: Michael Hüther, Abschied von der Öffentlichkeit: Eine kurze Theorie vom Ende der Moderne, Freiburg 2023, S. 9 ff.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H.1-2-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024