Kinderbetreuungspolitik in Deutschland und Japan Eine vergleichende Analyse der Reformprozesse in den Amtszeiten Angela Merkels und Shinzo Abes
Seit der Veröffentlichung von Esping-Andersens Werk Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus im Jahr 1990 hat die Typisierung von Wohlfahrtsstaaten in demokratischen Industrieländern an Bedeutung gewonnen[1]. Diese Einteilung unterscheidet grundsätzlich zwischen sozialdemokratischen, liberalen und konservativen Typen von Wohlfahrtsstaaten. Bis in die 1990er Jahre wurde diese Einteilung als gültig betrachtet, da sich die Pfadabhängigkeit auf die Sozialpolitik auswirkte.[2] Die Sozialpolitik hat sich jedoch seit dem Beginn der 2000er Jahre stark gewandelt und besonders die Familienpolitik zeigt erhebliche Veränderungen.[3] Vor allem konservative oder familialistische Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland und Japan, in denen zuvor Kinderbetreuung und Pflege primär als Aufgabe der Familie betrachtet wurde, trieben den Ausbau sozialer Dienstleistungen voran.
In dieser Studie liegt der Fokus auf der Kindertagesbetreuung, wobei Deutschland und Japan während der Periode der Modernisierung der Wohlfahrtsstaaten ab den 2000er Jahren untersucht werden. Zu jenem Zeitpunkt war die Kindertagesbetreuung in beiden Ländern unzureichend. Jedoch entwickelte sich Deutschland durch Reformen, einschließlich der Ausweitung der Kindertagesbetreuung, von einem konservativen Wohlfahrtsstaat weg.[4] Inzwischen verzeichnet Japan ebenfalls eine rapide Steigerung des Anteils öffentlicher Ausgaben für familienbezogene Dienstleistungen und social investment, insbesondere Kindertagesbetreuung, hält geräuschlos Einzug (siehe Abbildung 1, 2).[5]
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[1] Vgl. Gøsta Esping-Andersen, The Three Worlds of Welfare Capitalism, Princeton 1990.
[2] Vgl. Paul Pierson (Hg.), New Politics of the Welfare State, Oxford 2001.
[3] Vgl. Nathalie Morel, Bruno Palier & Joachim Palme, Beyond the Welfare State as We Knew It?, in: Dies. (Hg.), Towards Social Investment Welfare State? Ideas, Policies and Challenges, Bristol 2012, S. 1–30.
[4] Vgl. Martin Seeleib-Kaiser, The End of the Conservative German Welfare State Model, in: Social Policy and Administration, H. 2/2016, S. 219–240, hier S. 240.
[5] Vgl. Mari Miura & Eriko Hamada, Stilles Eindringen von social investment in Japan?, in: Mari Miura (Hg.), Investieren in die Gesellschaft, Tokyo 2018, S. 137–162, hier S. 160 (Japanisch).
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024