Die Inszenierung von Kindern als »Corona-Generation« Wechselwirkungen zwischen medialen Diskursen und poltischen Praktiken zur Beschränkung der Pandemie
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie verschwand die medial bis dahin sehr sichtbare junge Generation von der Bildfläche. Im Hauptfokus der Medien stand zu Beginn des Jahres 2020 das der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannte Corona-Virus. Es wurde über neueste Erkenntnisse seiner Verbreitung, die Gefahr der Ansteckung, seine Gefährlichkeit und geeignete Maßnahmen zur Einschränkung seiner Verbreitung berichtet. Recht früh zeigten Studien des Robert Koch-Instituts, dass vor allem ältere Personen und Menschen mit Atemwegsvorerkrankungen gesundheitlich gefährdet sind. Entsprechend wurden diese als Risikogruppe definiert und die ersten politische Maßnahmen richteten sich auf deren Schutz. Kinder erhielten zu Beginn der Pandemie keine Beachtung.
Erst ab April 2020 richtete sich der mediale Fokus auch auf die Situation der Kinder. Dabei entwickelte sich schnell das Narrativ einer verantwortungsvollen, vernünftigen und solidarischen Generation. Diese, so wurde berichtet, verzichte bereitwillig auf ihre Rechte, um die ältere und vom Virus scheinbar besonders bedrohte Generation zu schützen. Diese pauschalisierende Zuschreibung konnte sich insbesondere deshalb halten, da zunächst keine empirischen Daten vorlagen, die Auskunft über die Perspektiven der Kinder geben konnten. Als ab 2021 Kinder selbst befragt wurden und erste wissenschaftliche Studien über ihre Erfahrungen in der Pandemie erschienen,[1] stellten sich ihre Sichtweisen deutlich nuancierter dar. Trotz dieser sehr heterogenen Wahrnehmungen wird von Medien und Politik nach wie vor das stark vereinfachte Bild einer »Corona-Generation« reproduziert.
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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 3-4-2024 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2024