Regio non grata Städtische Verwüstung und symbolische Verunglimpfung im Hypergetto
Aus dem Woodlawn-Feldtagebuch in Chicago, 17. Oktober 1990:
Curtis besteht darauf, mich in die Viertelkirche mitzunehmen, um seinen Pastor zu besuchen. Als wir uns in seinen Wagen schwingen, legt er ein Tape der Rap-Band »No More Colors« mit voller Lautstärke auf. Der schwer verzerrte Sound durchflutet den Innenraum mit seinem frenetisch pulsierenden Rhythmus. »Das ist mein Lieblingslied, weil’s positiv ist: Es zeigt den Kids, genug mit dem Morden und dem Dope und den Schießereien und so, macht das nicht, weil: ›Wir sind alle Schwarze, wir sind alle in derselben Gang‹!« (»We’re All Blacks, We’re All in the Same Gang«) Es ist der Text des inspirierenden rauen Chorus’ des Songs. Angefressen klopft Curtis auf das Armaturenbrett, um die Box auf der Fahrerseite zum Funktionieren zu bringen und setzt sich gerade in seinem Ledersitz auf. Dann rauscht das morbide Spektakel der 63. Straße, ein Korridor des Verfalls, an uns vorbei, während wir in Richtung Stony Island Avenue unter der rostigen Hochbahnlinie fahren. […]
Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 4-2013 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2013