Die SPD und ihre Ortsvereine Nostalgische Organisationsform oder zukunftsfähiger Transmissionsriemen?

Von Klaus Wettig

Zunächst, in ihren frühesten Anfängen, organisierten sich die Gründungsparteien der Sozialdemokratie – der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) – über Stützpunkte und wenige Ortsvereine. Auch nach dem Zusammenschluss von 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) wuchs die gemeinsame Partei bis zum Verbot durch das Sozialistengesetz 1878 nur langsam.

Vom Werden einer Organisation

In den folgenden zwölf Verbotsjahren blieb es bis 1890 bei Stützpunkten und Vertrauensleuten, die mühsam die Partei am Leben hielten. Sie nutzten das Reichstagswahlgesetz, das zur jeweiligen Reichstagswahl die Gründung von Wahlvereinen erlaubte, was den Sozialdemokraten nicht untersagt wurde. Eine begrenzte sozialdemokratische Wahlwerbung war also möglich, die Stimmenanteile wuchsen und trotz zahlreicher Diskriminierungen erhöhten sich die Reichstagsmandate. Als im Jahr 1890 Reichskanzler Bismarck die Verlängerung des Sozialistengesetzes misslang, startete die bis dahin verbotene Partei mithin nicht bei null. Auf ihrem Parteitag in Halle taufte sie sich Sozialdemokratische Partei Deutschlands und begann, gesteuert von der jetzt in Berlin eingerichteten Parteizentrale, mit dem systematischen Parteiaufbau, der jetzt gestützt auf Ortsvereine in jedem Reichstagswahlkreis eine Parteiorganisation schuf. Die Ortsvereine wurden in Wahlvereinen für die Reichstagswahlkreise zusammengeschlossen. […]

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. -2020 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2020