Chance für einen Neubeginn? Über Bürgerrechtler, die Gedenkstätte Hohenschönhausen und die Nach-DDR-Zeit

Von Markus Decker

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat bereits reagiert. Im Herbst 2018 veranstaltete sie in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema »Demokratie in der Krise? Extremismus und Zivilgesellschaft in Ostdeutschland«[1]. Bei dieser Gelegenheit konstatierte die ehemalige Stasiunterlagenbeauftragte Marianne Birthler angesichts der AfD-Wählerschaft, zwanzig Prozent der Ostdeutschen hätten Mühe mit der Demokratie und zudem Schwierigkeiten, sich an Sachdebatten konstruktiv zu beteiligen. Überdies seien sie nach 1989 überrascht gewesen, es nicht nur mit Westdeutschen, sondern »mit der ganzen Welt« zu tun zu haben. Stattdessen habe die Ansicht überwogen: »Wir wollen so weit kommen wie der Westen. Und die anderen sollen bitte draußen bleiben.« Der Publizist Klaus-Rüdiger Mai nahm die Gegenposition ein: Er befand, die CDU sei nach links gerückt und hinterlasse damit ein Vakuum auf der Rechten, das unter dem Eindruck der zahlreichen Flüchtlinge von anderen gefüllt werde. Das, was nicht wenige für einen Rechtsruck halten, ist für den Mann aus Sachsen-Anhalt eine legitime politische Entwicklung. Er konnte in dem Sinne auch keine Demokratiekrise erkennen, sondern betonte, aus seiner Sicht funktioniere die Demokratie.

Ebenfalls alarmiert ist die Robert-Havemann-Gesellschaft. Sie zeigte im Sommer 2018 eine Film-Dokumentation über »PEGIDA« und lud anschließend unter der Überschrift »Montags in Dresden. Identitätsverlust in blühenden Landschaften?« zur Debatte. Im Januar 2019 folgte die Stiftung Berliner Mauer mit einer Tagung zum Thema »Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Diktaturen nach 1949 und 1989«. Vorausgegangen waren Äußerungen des ehemaligen Stasi-Häftlings Siegmar Faust, der in der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen während eines Interviews mit der Berliner Zeitung verständnisvolle Worte sowohl für den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke als auch den Holocaust-Leugner Horst Mahler gefunden und schließlich kundgetan hatte, in der Gedenkstätte dächten viele wie er selbst[2] – aufgeklärte DDR-Aufarbeiter wussten anschließend zu berichten, dass Faust zumindest in diesem Punkt Recht habe. Jedenfalls polarisiert sich neben der gesamten Gesellschaft nun auch die ostdeutsche Dissidenten-Szene. Und die Frage ist weniger, ob ein Problem besteht, als warum es besteht. […]

Anmerkungen

[1] Siehe hierzu Markus Decker, »Eine neue Dimension von Rechtsextremismus«, in: FR.de, 19.06.2019, URL: https://www.fr.de/politik/eine-neue-dimension-rechtsextremismus-10971133.html [eingesehen am 14.03.2019].

[2] Vgl. Markus Decker, Immer gegen den Strom, in: Berliner Zeitung, 30.05.2018.

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Quelle: INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, H. 1-2019 | © Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2019